Schmerzen an der Kniesehne? Das ist kein seltenes Problem – gerade bei Sportler*innen. Doch was steckt dahinter und wie wirst du die Beschwerden wieder los? Hier erfährst du, wie Sehnenprobleme entstehen, was wirklich hilft und warum auch Knorpel und gezielte Belastung eine große Rolle spielen.
Was ist eine Tendinopathie?
Tendinopathie ist der medizinische Begriff für Sehnenprobleme, die durch Überlastung entstehen.
Typisch sind Schmerzen an der Kniesehne – meist nach dem Training, manchmal auch schon im Alltag.
Die Sehne ist zwar stark, aber sie braucht gezielte Belastung und Erholung, um gesund zu bleiben.
Die 4 Stadien der Tendinopathie (Cook & Purdam, 2016)
Reaktive Tendinopathie
Die Sehne reagiert auf Überlastung mit einer kurzfristigen Verdickung.
Symptom: Plötzliche Schmerzen nach hoher Belastung.
Tendondisrepair
Die Heilung klappt nicht richtig, die Sehne wird schwächer und das Gewebe unordentlich.
Symptom: Anhaltende Schmerzen, auch bei leichter Belastung.
Degenerative Tendinopathie
Die Sehne wird dauerhaft geschädigt, die Struktur verändert sich.
Symptom: Chronische Schmerzen, oft auch in Ruhe.
Reaktive auf degenerativer Basis
Plötzliche Verschlechterung bei bereits vorgeschädigter Sehne.
Mechanotransduktion: Wie Training Sehnen heilt (Stańczak et al., 2024)
Die Lösung liegt in der Mechanotransduktion – das ist der Prozess, bei dem gezielte, mechanische Belastung die Sehne dazu anregt, sich zu erneuern und zu heilen.
Ohne Belastung baut sich die Sehne ab und wird schwächer.
Zu viel oder zu schnelle Belastung führt zu weiteren Schäden und Degeneration.
Das Schlüsselprinzip: Progressiv und intelligent dosiertes Training!
Nur so kann die Sehne Kollagenfasern neu bilden, stärker werden und wieder Belastung aushalten.
Das EdUReP-Modell: So wirst du die Beschwerden los
Das EdUReP-Modell hilft, Sehnenprobleme gezielt zu behandeln:
Educate (Aufklären): Verstehe, was mit deiner Sehne passiert.
Unload (Entlasten): Nimm den Druck raus – weniger oder leichter trainieren.
Reload (Wieder belasten): Schrittweise gezielte Belastung, z.B. mit langsamen, schweren Übungen.
Prevent (Vorbeugen): Prävention durch regelmäßiges, angepasstes Training.
Warum ist dosierte Belastung so wichtig? (Aggouras et al., 2024)
Sehnen brauchen Belastung, um stark zu bleiben – aber zu viel auf einmal macht sie kaputt.
Die richtige Mischung aus Ruhe und Training fördert die Heilung.
Besonders effektiv: Langsame, kontrollierte Kraftübungen (z.B. langsame Kniebeugen oder isometrische Halteübungen).
Sehnen haben einen langsameren Stoffwechsel als Muskeln – sie brauchen mehr Zeit zur Regeneration. Die Heilung läuft über die Bildung von Kollagenfasern, die durch Training und ausreichend Eiweiß (Protein) gestärkt werden.
Sehnenanpassung: Timing und richtige Belastung (Ganji et al., 2023)
Damit Sehnen wirklich stärker und belastbarer werden, kommt es nicht nur auf das „Ob“, sondern auch auf das „Wie“ und „Wann“ an:
Kollagenumbau in der Sehne ist 24–72 Stunden nach dem Training am stärksten.
Die eigentliche Reparatur und Verstärkung findet also erst in den Tagen nach dem Training statt.
Heavy Slow Resistance (HSR):
Langsame, schwere Übungen (wie langsame Kniebeugen oder kontrollierte Ausfallschritte) liefern genau die Energie, die Sehnen für ihre Anpassung brauchen.
Vorsicht bei schnellen, explosiven Bewegungen:
Zu frühes Springen oder schnelle, unkontrollierte Bewegungen setzen die Sehne unter eine hohe, aber schlecht steuerbare Belastung – das kann sie überfordern, bevor sie bereit ist.
Loaded Stretch & kontrollierte Exzentrik:
Dehnen unter Last und langsames Nachgeben (z.B. beim Absenken aus der Kniebeuge) regen gezielt die Kollagenneubildung an und schützen die empfindliche Muskel-Sehnen-Übergangszone (myotendinous junction), die besonders oft verletzt wird.
Das Wichtigste:
Nicht nur das Training selbst, sondern auch die richtige Dosierung und Geduld in den Tagen danach entscheiden darüber, wie gut deine Sehnen sich anpassen und langfristig belastbar bleiben!
Schutz des Kollagens und Vermeidung des Let-Down Effect (Bayer et al., 2014)
Nach dem Training fühlen sich Sehnen oft kurzfristig besser – doch die Entzündung im Gewebe ist meist noch nicht vollständig abgeklungen.
Dieses Phänomen nennt man Let-Down Effect: Wenn du jetzt zu früh wieder voll belastest oder passiv dehnst, riskierst du erneute Schmerzen oder sogar eine Verschlechterung.
Was hilft nach dem Training, damit die Sehne wirklich heilen kann?
Aktive Erholung: Leichtes Gehen, lockere Mobilitätsübungen
Weichteilbehandlung: Sanfte Massage oder Faszienarbeit
Schlaf und ausreichend Flüssigkeit: Unterstützen die Regeneration
Kein passives Überdehnen: Vermeide intensives, passives Dehnen in den ersten Stunden nach dem Training
Merke:
Mit „hartem“ Gewebe (z.B. Muskeln) kannst du schneller wieder arbeiten – doch Kollagen (Sehnen) braucht Zeit, um sich langsam und stabil zu erneuern.
Gib deinem Körper diese Zeit, damit die Sehne langfristig belastbar bleibt!
Auch der Knorpel profitiert von Bewegung (Fox et al., 2009)
Knorpel im Knie hat keine eigene Blutversorgung.
Er bekommt Nährstoffe nur durch Diffusion – also durch Bewegung und Druckwechsel.
Viel und abwechslungsreiche Bewegung sorgt dafür, dass Nährstoffe in den Knorpel gelangen und Abfallstoffe abtransportiert werden.
Auch die Gelenkschmiere (Synovialflüssigkeit) wird durch Bewegung aktiviert – das hält den Knorpel gesund und das Gelenk geschmeidig.
Was solltest du vermeiden?
Zu schnelle Steigerung der Trainingsintensität
Sprünge und explosive Bewegungen, solange die Sehne noch schmerzt
Komplettes Schonprogramm über Wochen – das macht die Sehne noch schwächer!
Fazit
Sehnenprobleme sind behandelbar – mit Geduld, gezielter Belastung und dem richtigen Plan. Das EdUReP-Modell und das Wissen um Mechanotransduktion helfen dir, wieder schmerzfrei und stark zu werden.
Auch Knorpel und Gelenk profitieren von regelmäßiger, abwechslungsreicher Bewegung!
Im nächsten Beitrag erfährst du, welche Arten von Schmerzen es gibt und wie Training gegen Entzündung hilft.
Niklas Fricke ist Personal Trainer und Experte für Kniegesundheit mit Fokus auf schmerzfreie Leistungsfähigkeit. Er unterstützt sportlich aktive Menschen in Hamburg dabei, Verletzungen vorzubeugen und ihre Knie langfristig stark zu halten. Mit Qualifikationen als Pain-Free Knee Performance Specialist, Medical Fitness-Coach und Precision Nutrition Coach verbindet Niklas fundiertes Wissen mit praktischer Erfahrung. Seine eigene Geschichte mit Knieproblemen motiviert ihn, individuelle und nachhaltige Trainingslösungen zu entwickeln. Niklas ist außerdem Gastgeber des KneeVit Podcasts, in dem er kompakte, praxisnahe Tipps für junge Sportler teilt.
Cook, J. L., Purdam, C. R. (2016). Revisiting the continuum model of tendon pathology. British Journal of Sports Medicine, 50(19), 1187–1191. https://doi.org/10.1136/bjsports-2015-095552
Stańczak, M., Kacprzak, B., & Gawda, P. (2024). Tendon Cell Biology: Effect of Mechanical Loading. Cellular Physiology and Biochemistry, 58(5), 677–701. https://doi.org/10.33594/000000743
Aggouras, A. N., Stowe, E. J., Mlawer, S. J., & Connizzo, B. K. (2024). Aged tendons exhibit altered mechanisms of strain-dependent extracellular matrix remodeling. Journal of Biomechanical Engineering, 146(7), 071009. https://doi.org/10.1115/1.4065270
Ganji, E., Lamia, S. N., Stepanovich, M., Whyte, N., Goulet, R. W., Abraham, A. C., & Killian, M. L. (2023). Optogenetic-induced muscle loading leads to mechanical adaptation of the Achilles tendon enthesis in mice. Science Advances, 9(25), eadf4683. https://doi.org/10.1126/sciadv.adf4683
Bayer, M. L., Schjerling, P., Herchenhan, A., Zeltz, C., Heinemeier, K. M., Christensen, L., & Kjaer, M. (2014). Release of tensile strain on engineered human tendon tissue disturbs cell adhesions, changes matrix architecture, and induces an inflammatory phenotype. PLoS ONE, 9(1), e86078. https://doi.org/10.1371/journal.pone.0086078
Fox, A. J. S., Bedi, A., & Rodeo, S. A. (2009). The basic science of articular cartilage: Structure, composition, and function. Sports Health, 1(6), 461–468. https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC3445147/